Dienstag, 10. April 2012

Rezension zu "Julia für immer" von Stacey Jay


Ein großes Kuddel-Muddel

"Julia für immer" von Stacey Jay hat mir von seiner Grundidee her eigentlich ziemlich gut gefallen und auch wenn ich die Umsetzung teilweise schon schwächelnd fand, ist es eine andere Frage, die mich seit dem Lesen beschäftgt: Wenn die Autorin einer Fantasy-Geschichte sich so gar nicht darum kümmert, eine logische Hintergrundgeschichte aufzubauen, ist das dann noch ein Stil oder schon nur noch Bequemlichkeit?

Zuerst aber kurz zum Inhalt: Romeo und Julia waren vor 700 Jahren in Verona frisch verliebt. Doch als beide an einem verhängnisvollen Tag ums Leben kommen, kann von Liebe keine Rede mehr sein, denn Julia hat die Ereignisse anders in Erinnerung, als sie später von Shakespeare niedergeschrieben wurden: Romeo hat sie getötet! Dadurch wurde er zu einem Söldner, der von nun an die Körper von Toten bewohnt und versucht Seelenverwandte von ihrer Liebe für einander abzubringen und sogar in den Tod zu treiben. Julia dagegen wurde von den Botschaftern gerettet und lebt seitdem meistens in den Nebeln, die sie nicht begreift, und kehrt immer dann im Auftrag der "Amme" zurück auf die Erde, wenn es gilt zwei Seelenverwandte zueinander zu führen. Anders als Romeo bewohnt sie aber keine Toten, sondern für kurze Zeit teilt sie den Körper einer anderen.

Als Julia dieses Mal im Körper der High-School-Schülerin Ariel erwacht, spürt sie schnell, dass etwas anders ist. Denn ihr ärgster Feind Romeo ist ihr näher als jemals zuvor und sie kann auch keinen Kontakt zu der Amme aufnehmen, von der sie normalerweise Details über ihre Aufträge erfährt. Zwar findet sie die Seelenverwandten auch allein - Ariels beste Freundin Gemma und Ben, den sie schon an ihrem ersten Abend in Ariels Körper kennenlernte - doch das wirft gleich neue Probleme auf, denn Julia beginnt sich in Ben zu verlieben. Aber auch Romeo merkt, dass Julia und er unbeobachtet von Söldnern und Botschaftern sind und eröffnet Julia seine geheimen Pläne, wie sie beide ihrem Schicksal entkommen könnten...

Wie ich schon sagte, ist die Grundidee hinter der Geschichte meiner Meinung nach richtig interessant. Die echte Julia und der echte Romeo hassen sich 700 Jahre lang wie die Pest, bekämpfen sich und sind im Körper von anderen unterwegs, um Liebende zusammenzuführen bzw. für immer zu entzweien. Dabei kommt es auch zu wirklich spannenden und witzigen Situationen, wenn Romeo im Körper von Dylan und Julia als Ariel aufeinander treffen.

Die meiste Zeit des Romans tritt Julia als Ich-Erzählerin auf. Sie ist ein eher unauffälliger Charakter, der mich zwar nicht nervte, aber gelegentlich langweilte. Ihre Bemühungen Ariels Leben ein bisschen in Ordnung zu bringen und besonders das Verhältnis zu ihrer Mutter zu verbessern, sind noch einigermaßen berührend und ihr Hass auf Romeo ganz amüsant, aber ihre Liebe zu Ben schien mir persönlich etwas schwerfällig und ihre sich ständig wiederholenden Gewissensbisse im Bezug auf die völlig ich-bezogene Gemma sind irgendwann nur noch anstrengend. Julia weiß eigentlich rein gar nichts über sich, die Beobachter oder den Nebel, in dem sie die meiste Zeit der 700 verbracht hat, und zeigt auch wenig Ambitionen, an ihrer Unwissenheit etwas zu ändern. Auch ihre angeblich vorhandenen Fähigkeiten, die Auren der Seelenverwandten als rosa-farbendes Leuchten wahrzunehmen, wurden nicht gut vermittelt. Wer braucht eine Fähigkeit, die immer erst dann funktioniert, wenn sich das Rätsel schon von allein gelöst hat?

Der deutlich besser gelungene und einzigartige Charakter in "Julia für immer" ist für mich Romeo. Dagegen wirkt Julia geradezu blass, ebenso wie die sehr eintönig egozentrische Gemma oder der nette Vielleicht-Schlägertyp Ben. In leichter Anlehnung an die ursprüngliche Literaturgattung von "Romeo und Julia", das Drama, tritt Romeo in den "Zwischenspielen" als Ich-Erzähler auf und brachte mich als Leser zum Schmunzeln. Ihm haben die 700 Jahre in toten Körpern eindeutig zugesetzt, er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank und ist ein wenig dem Wahnsinn verfallen. Mal ist er total selbstverleibt, mal verzweifelt, überheblich und dann wieder weinerlich unterwürfig. Seine Versuche sich Julia zu nähern und ihr von seinen Plänen zu erzählen sind mal lustig und mal wirklich mitleidserregend und während mich Julias 0-8-15-Charakter manchmal langweilte, konnte ich mit Romeo richtig mitfühlen und mich für ihn begeistern.

Neben den - von Romeo einmal abgesehen - blassen Charakteren, die (und das gilt besonders für Ben, Gemma und die echte Ariel) sehr oberflächlich und ohne wirkliche Hintergrundinformationen bleiben, und der durchschnittlichen Sprache hat dieses Buch für mich noch ein viel schwerwiegenderes Problem. Man weiß nicht viel über die Söldner und die Botschafter, erfährt nicht viel und selbst das, was man erfährt, scheint sich anschließend ausnahmslos wieder über den Haufen werfen zu lassen. Alles bleibt vage; Vermutungen und Spekulationen, die zu nichts führen. Wenn die Amme und die Söldner später zurückkehren, wurde es zu einem riesigen Kuddel-Muddel und in meinem Kopf bleiben nur noch Fragezeichen. Ich hatte dabei das Gefühl, dass diese ganze Unwissenheit aller Protagonisten nur einem Ziel dient: Dem Leser irgendwie das Ping-Pong-Spiel mit den "überraschenden" (nein, besser: total abwegigen) Wendungen am Ende erträglich zu gestalten. Für mich hat das gar nicht funktioniert. Wenn plötzlich sowieso alles möglich ist, Zeitreisen und Parallelwelten eingeschlossen - wozu dann das alles?

Das Ende war ohnehin einfach nur schrecklich. Überzogen, kitschig, unlogisch - wobei man die Sache mit der Logik ja relativieren muss, denn eine Fantasy-Welt, die erst gar keine eigene Logik hat, kann diese auch nicht verletzen. Dabei hatte die Geschichte eigentlich ein starkes, spannendes und passendes Ende. Die Autorin hat einfach nur versäumt ein Kapitel eher Schluss zu machen und hat stattdessen noch das Über-Happy-End hinten dran gehängt, was der Geschichte einfach nicht gut tat.

Außerdem hatten "Julia für immer" und ich schon einen schlechten Start, denn wenn ich eines nicht leiden kann, dann sind das offensichtliche Fehler - nicht Rechtschreibfehler, obwohl die 1. Auflage davon auch einige hat. Nein, Logikfehler sind mein Problem. Und davon findet sich auf den ersten Seiten ein handlungstechnisch nebensächlicher, aber sowas von auffällig fetter Fehler, dass ich mich einfach frage, wie so etwas passieren kann, wenn ein Buch aufmerksam geschrieben und vor seiner Veröffentlichung sicher mehrmals gelesen wird. "Eigentlich kehre ich nur etwa alle fünfzig Jahre auf die Erde zurück." Das sagt Julia über ihre Einsätze als Botschafterin (S.19) - und was sagt sie nur wenige Seiten zuvor? Dass sie in ihren 700 Jahren mehr als dreizig mal zurückgekehrt sei. Ein bisschen rechnen: Ist es möglich, im Schnitt alle 50 Jahre zurückzukehren, wenn man das mehr als 30mal in 700 Jahren getan haben will? Nein, ist es nicht.

Mein Fazit: Ich bin bei dem Buch einfach hin- und hergerissen. Der Inhalt kann leider nicht mit dem schönen Cover mithalten, auch wenn besonders ein Charakter, der Romeo, das Buch wirklich lesenswert macht. Insbesondere fehlt mir eine eigene Logik in dieser Urban-Fantasy, denn ohne eine solche hatte ich am Ende das Gefühl, es sei einfach alles erlaubt und mögich, und das ist langweilig. Zudem war das Ende einfach nur ein verkitschtes, unpassendes Happy-End, das zusammen mit dem englischen Titel für den Nachfolger, "Romeo redeemed", aber für mich doch noch etwas positives hat: Es lässt mich hoffen, dass Romeo im zweiten Teil die Hauptrolle spielt und es somit besser werden könnte. Ich habe lange mir den 2 Sternen geliebäugelt, denn mir fehlt wirklich der schlüssige Hintergrund, aber Romeo und der Wunsch seine Geschichte weiterzuverfolgen bewegen mich dazu 3 von 5 Sternen zu vergeben. 



Die Reihe (mit Links zu Amazon.de)
  1. "Julia für immer" (Feb. 2011, engl. Originaltitel: "Juliet immortal")
  2. "Romeo für immer" (engl. Originaltitel: "Romeo Redeemed", noch nicht erschienen)

Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden
Seiten: 344
Verlag: INK
ISBN: 978-3863960216
Preis: € [D] 17.99

Weitere Informationen auf der Verlagshomepage

1 Kommentar:

  1. Bin bei allem deiner Meinung :D
    Besonders das letzte Kapitel hat für mich noch den letzten Rest an dem kaputt gemacht, was mir eigentlich noch gut gefallen hat.

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