Sonntag, 2. September 2012

Rezension zu "Der Sommer, in dem Linda schwimmen lernte" von Roy Jacobsen


 Plötzlich ist die kleine Schwester da

"Der Sommer, in dem Linda schwimmen lernte" von Roy Jacobsen ist ein norwegischer Roman über die Veränderungen im Leben einer Familie. Er ist zwar schön erzählt, hat mich aber nicht wirklich überzeugt.

Inhalt: Bis zum Jahr 1961 lebte der 10jährige Finn allein mit seiner Mutter in Oslo. Die Mutter hält die Familie mit ihrem Halbtagsjob und dem gerade gefundenen Untermieter Kristian über Wasser, seit der Vater sie verlassen und sogar noch einmal geheiratet hatte, bevor er kurz darauf starb. Finn und seine Mutter wissen von der Halbschwester, haben die kleine Linda aber noch nie gesehen. Dennoch nehmen sie das 6jährige Mädchen bei sich auf, als die Mutter sich nicht mehr kümmern kann. Doch Linda ist merkwürdig still und auch Finns Mutter verändert sich durch das neue Familienmitgleid sehr...

Inhaltlich ist die Geschichte durchaus lesenswert. Lindas bisheriges Leben, ihre Entwicklung und auch die Vergangenheit von Finn und seiner Mutter sowie das Zusammenleben mit dem neuen, sich irgendwie merkwürdig verhaltenden Untermieter Kristian bergen viele Höhen und Tiefen, die es zu offenbaren und zu bewältigen gilt. Leider wurde mir das Vergnügen an dieser doch ganz interessanten Geschichte durch den Schreibstil doch ein wenig verhagelt.

Erzählt wird aus der Ich-Perspektive des 10-jährigen Finns. Der Schreibstil wirkt oft eher nüchtern, die Sätze sind lang, verschachtelt und durch viele Aufzählungen gekennzeichnet, was zusammen mit dem eher vagen Andeutungen der meisten Konflikte durchaus zu einer kindlichen Sicht- und Ausdrucksweise passt. Allerdings ist das Buch als Erinnerung eines älteren Finns geschrieben, der die Zusammenhänge begreifen müsste und näher erläutern könnte und genau das hätte dieses Buch auch gebraucht. Die Geheimnisse und Konflikte werden jedes Mal nur angedeutet, im Stillen aufgearbeitet und gelöst. Das Buch hat dadurch eine gewisse Leichtigkeit, bekommt aber nicht den Tiefgang, den ich mir bei den angedeuteten Themen gewünscht hätte und enttäuschte mich dann letztlich durch das Ende, das so wenig stimmig erschien. Obwohl die Themaikt der Geschichte rund ums Erwachsenwerden das Potential dazu gehabt hätte, konnte es mich nicht berühren und sich auch nicht lange in meinen Gedanken festsetzen.

Besonders entsetzt bin ich aber über etwas anderes, von dem ich nicht sagen kann, ob es dem Autor selbst oder der Übersetzerin zuzuschreiben ist, was aber so offensichtlich, schrecklich und falsch ist, dass ich nicht verstehen kann, wie ein Buch mit solchen Fehlern veröffentlicht werden kann. Die Zeitformen wechseln in diesem Roman nach Belieben. Eigentlich ist er im Präteritum geschrieben, doch hin und wieder wechselt die Sprache willkürlich ins Präsens. Mal sind es ein paar Sätze, mal ein paar Abschnitte, mal ein paar Seiten. Das hat mich wirklich sehr gestört und regelrecht wütend gemacht. Leicht zu entdeckende und absolut unnötige Stolpersteine im Lesefluss.

Fazit: "Der Sommer, in dem Linda schwimmen lernte" ist auf der einen Seite inhaltlich sehr interessant zu lesen und manchmal überraschend, aber etwas trocken geschrieben und hat ein paar Längen. Sprachlich war es eher enttäuschend. 3 Sterne


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Allgemeine Informationen

Ausgabe: Taschenbuch, April 2012, 3. Auflage
Seiten:293
Verlag : Insel Verlag
ISBN: 978-3458358275
Preis: € [D] 8.99

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage

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